Mag sein, dass die eine oder andere Formulierung hätte besser ausfallen können. Das ist manchmal eine Frage des Geschmacks.
Richtig ist, dass einige kölsche Begriffe falsch geschrieben sind. Kölner sind in diesem Punkt sehr pingelig und verstehen da wenig Spaß. Aber Anton Friedes, die Hauptfigur im
Herbstlicht, ist kein Kölner und warum sollte da nicht einiges so geschrieben werden, wie er es tun würde. Beim nächtlichen Spaziergang um den Kölner Hauptbahnhof, der mit dem Überfall
endet, kommt Anton Friedes auch am Café Scholl vorbei, was auch nicht so ganz topographisch passt, aber letztlich, und das ist wichtiger, passt es inhaltlich. Leider sind viele Städte
nicht so gebaut, wie etwa das Dublin des Jahres 1904.
Aber zum Eigentlichen: Anton Friedes ist ein Vertreter der sogenannten 68er-Generation wie auch einige der Nebenfiguren, z.B. der Politiker Sprengel und dessen rechte Hand, Martin. Dieser
Anton Friedes ist, was ihn unter den 68er schon fast suspekt macht, beruflich sehr erfolgreich. Er hat Karriere gemacht. Dabei hätte er, was man auch von Leuten dieser Gruppe zu genüge
kennt, leicht zum Kotzbrocken werden können. Seinen Gegenentwurf Sprengel dürfen wir etwa dort ansiedeln.
Der Roman schildert nun eigentlich das Abtreten diese 68ers, den Abschied von der gestaltenden Macht - hier immerhin über ein bedeutendes Kaufhaus. Dieser Abgang kommt eher beiläufig und
völlig ungeplant. Es sind private Ereignisse, die sein Leben verändern: der Überfall auf seine Person samt Aufarbeitung im Gerichtsverfahren, die Erkrankung der Mutter, der Tod des
Jugendfreundes und seine missglückte Liebeseskapade.
Wie Anton Friedes, der sich einerseits sehr managertypisch verhält - und den ich nicht gerne zum Chef hätte -, der auch Entscheidungen trifft, die rational nicht nachvollziehbar sind, wie
er andererseits nicht zum Kotzbrocken wird, sondern seine humanistische Orientierung beibehält, genau diese Schilderung ist es, die ich an dem Roman schätze.
Dabei ist die Erzählposition angenehm distanziert. In seinem Privatleben hat Friedes große Probleme. Aber wir müssen nicht um ihn bibbern. Es kommt kein Mitgefühl auf. Er ist für das, was
er tut, verantwortlich, und das, was ihm widerfährt, sollte er bewältigen können. Er weiß das - und der Leser auch. Man ahnt, dass die Geschichte mit M. irreversible Folgen hat, aber man
liest gespannt weiter.
Nun ist der Roman auf eine spezielle Weise offen, einige Handlungsstränge brechen ab, werden nicht fortgeführt. Man hat eigentlich schon eine gewisse Erwartung über die angedeuteten
Komplizenschaften im Prozess. Auch die Sprengel-Geschichte bleibt weitgehend isoliert. Ich empfinde das durchaus nicht als Nachteil. Such is life. Nun kommt der Einwand der Kritikerin:
Leben schon, aber keine Literatur. Aber was hätten wir - oder Friedes - davon, wenn wir z. B. mehr über den Angeklagten und seinen mutmaßlichen Komplizen wüssten. Es würde von der
eigentlichen Friedes-Geschichte eher ablenken. Die Distanz der Nebenstränge innerhalb des Romans entspricht durchaus der Distanz zur Person Friedes.
Zwischen dem weitgehend ruhig fließendem Text funkeln wunderbare Abschnitte, Perlen sehr unterschiedlicher Art wie z.B. die KPNEV-Geschichte, der Auftritt beim Arbeitgeberverband -
einschließlich des Fragestellers und des Abgangs mit M. - und die Ausführungen in Dublin über das Glück.
Daher: unbedingt lesenwert. Es mag sein, dass Menschen, die etwa im Alter von Anton Friedes sind, mehr davon haben.
HERBSTLICHT
Verfasst von Klaus Trapp am 31. Oktober 2005.
Mag sein, dass die eine oder andere Formulierung hätte besser ausfallen können. Das ist manchmal eine Frage des Geschmacks.
Richtig ist, dass einige kölsche Begriffe falsch geschrieben sind. Kölner sind in diesem Punkt sehr pingelig und verstehen da wenig Spaß. Aber Anton Friedes, die Hauptfigur im Herbstlicht, ist kein Kölner und warum sollte da nicht einiges so geschrieben werden, wie er es tun würde. Beim nächtlichen Spaziergang um den Kölner Hauptbahnhof, der mit dem Überfall endet, kommt Anton Friedes auch am Café Scholl vorbei, was auch nicht so ganz topographisch passt, aber letztlich, und das ist wichtiger, passt es inhaltlich. Leider sind viele Städte nicht so gebaut, wie etwa das Dublin des Jahres 1904.
Aber zum Eigentlichen: Anton Friedes ist ein Vertreter der sogenannten 68er-Generation wie auch einige der Nebenfiguren, z.B. der Politiker Sprengel und dessen rechte Hand, Martin. Dieser Anton Friedes ist, was ihn unter den 68er schon fast suspekt macht, beruflich sehr erfolgreich. Er hat Karriere gemacht. Dabei hätte er, was man auch von Leuten dieser Gruppe zu genüge kennt, leicht zum Kotzbrocken werden können. Seinen Gegenentwurf Sprengel dürfen wir etwa dort ansiedeln.
Der Roman schildert nun eigentlich das Abtreten diese 68ers, den Abschied von der gestaltenden Macht - hier immerhin über ein bedeutendes Kaufhaus. Dieser Abgang kommt eher beiläufig und völlig ungeplant. Es sind private Ereignisse, die sein Leben verändern: der Überfall auf seine Person samt Aufarbeitung im Gerichtsverfahren, die Erkrankung der Mutter, der Tod des Jugendfreundes und seine missglückte Liebeseskapade.
Wie Anton Friedes, der sich einerseits sehr managertypisch verhält - und den ich nicht gerne zum Chef hätte -, der auch Entscheidungen trifft, die rational nicht nachvollziehbar sind, wie er andererseits nicht zum Kotzbrocken wird, sondern seine humanistische Orientierung beibehält, genau diese Schilderung ist es, die ich an dem Roman schätze.
Dabei ist die Erzählposition angenehm distanziert. In seinem Privatleben hat Friedes große Probleme. Aber wir müssen nicht um ihn bibbern. Es kommt kein Mitgefühl auf. Er ist für das, was er tut, verantwortlich, und das, was ihm widerfährt, sollte er bewältigen können. Er weiß das - und der Leser auch. Man ahnt, dass die Geschichte mit M. irreversible Folgen hat, aber man liest gespannt weiter.
Nun ist der Roman auf eine spezielle Weise offen, einige Handlungsstränge brechen ab, werden nicht fortgeführt. Man hat eigentlich schon eine gewisse Erwartung über die angedeuteten Komplizenschaften im Prozess. Auch die Sprengel-Geschichte bleibt weitgehend isoliert. Ich empfinde das durchaus nicht als Nachteil. Such is life. Nun kommt der Einwand der Kritikerin: Leben schon, aber keine Literatur. Aber was hätten wir - oder Friedes - davon, wenn wir z. B. mehr über den Angeklagten und seinen mutmaßlichen Komplizen wüssten. Es würde von der eigentlichen Friedes-Geschichte eher ablenken. Die Distanz der Nebenstränge innerhalb des Romans entspricht durchaus der Distanz zur Person Friedes.
Zwischen dem weitgehend ruhig fließendem Text funkeln wunderbare Abschnitte, Perlen sehr unterschiedlicher Art wie z.B. die KPNEV-Geschichte, der Auftritt beim Arbeitgeberverband - einschließlich des Fragestellers und des Abgangs mit M. - und die Ausführungen in Dublin über das Glück.
Daher: unbedingt lesenwert. Es mag sein, dass Menschen, die etwa im Alter von Anton Friedes sind, mehr davon haben.